ENSONIQ – ASR-10 – der Synthesizer im Sampler

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ENSONIQ ASR-10

ENSONIQ – ASR-10 – der Synthesizer im Sampler

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja richtig, am Rande eines tiefen, schwarzen Loches, einer Einstein-Rosen-Brücke in ein paralleles Klanguniversum, dessen Sog neugierige Synthesisten in ein Zeit-verschlingendes Abenteuer mit sich reißt. Der ASR-10 kann nämlich so einiges. Das begreift man aber erst, wenn man sich bereitwillig hinein plumpsen lässt. Und schwupp, ist der Abend weg, der Winter vorbei und eventuell ist man auch bald ganz alleine, weil jegliche Ansprache von einem abperlt.

Also am besten ist es, man stellt sich eine Zeitschalt-Steckerleiste. Die kann  einen nach voreingestellter Zeitspanne aus diesem Äther reissen, psychische Schmerzen und Verlusterlebnisse inbegriffen.

Sounddesign

ASR-10 Logo
ASR-10 Logo

Der ASR-10 ist ein vollwertiger Synthesizer mit allerhand Tricks, um Bewegtes und Bewegendes zu synthetisieren. Klänge sind in 8 Instrumente organisiert. Die können multitimbral vom internen Sequenzer, einzeln oder beliebig wählbar gleichzeitig über das Keyboard oder über wählbare MIDI-Kanäle von aussen  gespielt werden. 23 oder 31 Stimmen können fast gleichzeitig erklingen, was merkwürdig anmutet, ist man doch eher gerade Zahlen gewöhnt wie 24, 48, 64, 128 oder so ähnlich.  Ziemlich merkwürdig ist die Vorstellung, dass der ASR-10 ja Stereo-Sampling beherrscht. Was macht er dann eigentlich mit der 23. oder 31. Stimme?

Man kann übrigens den Ladezustand aller Instrumente als Bank sichern. Dabei wird gespeichert, wo man die Samples, Effekte und die Sequenzer-Daten her hatte. Sind alle Datenträger noch an ihrem Platz, lädt der ASR-10 alles wieder so in den Speicher, wie es beim Speichern gewesen ist.

Samples

Ein spielbarer Klang setzt sich beim ASR-10 aus bis zu 8 Schichten, also Layern zusammen. Die können einzeln auch verzögert werden. Das kann dazu verwendet werden, um einfache Wellensequenzen zu erstellen.

Layers können ineinander überblendet oder per Anschlagstärke oder Patch-Selct-Schalter umgeschaltet werden.

Diskettenlaufwerk und Patch Select Schalter
Diskettenlaufwerk und Patch Select Schalter links über dem Pitch-Bend-Rad

Jedes Layer enthält ein Sample oder Multisample, das ein doppeltes digitales Multimodefilter durchläuft. Von dort geht es in einen Amplifikator. Letzterer bestimmt Lautstärke und Panorama. Wenn man keine Samples aufnimmt, kann der ASR-10 auch eine Rechteckwelle selbst erzeugen und als Sample in ein Layer ablegen. Bearbeitet man diese mit dem internen Synthesizer weiter, kommt schon ein bisschen Musik zusammen. Der folgende Beispiel-Track macht Gebrauch davon. Lead und Zap-Sound verwenden diese Methode. Klingt nach geblasenem Holz, würde ich sagen.

Abspielmodi

Die Samples können vorwärts, rückwärts, in beide Richtungen alternierend und in Endlosschleife, sprich gelooped, abgespielt werden. Dabei kann  eine Modulationsquelle den Sample-Start, das -Ende, den Loop-Start UND die Loop-Position oder NUR die Loop-Position bewegen. Es kann sich aber auch bei einzyklischen Wellenformen der Loop-Start bewegen, während gleichzeitig die Tonhöhe angeglichen wird. Das Ergebnis dieses Manövers klingt dann einer harten Synchronisation sehr ähnlich und heißt Loopstart-X. Transwave ist ähnlich der Bewegung der Loop-Position, geht aber in festen Blöcken durch das Sample.

Selber Machen

Folgende Beispiele lassen erahnen, was man mit ein paar einfachen Aufnahmen alleine auf Sample-Ebene für drollige Dinge anstellen kann, ohne dass das Filter mitspielt. Was allerdings schon mitspielt sind Effekte aus dem On-Board-DSP und eine Spur Panoramamodulation durch Noise, den Zufallsgenerator.  Seltsame Dinge passieren, wenn die Loop-Länge sehr kurz wird. Dann liest der ASR-10 auch mal den Sample-Speicher quer und gibt digitale Explosionen zum Besten.

In der Transwave Boutique

Von WAVeBOY Industries gab es mal vorgefertigte Transwaves zu kaufen, die sich wie Wavetables verwenden und glatt durchfahren liessen. Das bringt schon subtile bis drastische, aber knackfreie Übergänge hervor, mit denen man schöne Flächenklänge bauen kann. Theoretisch kann man das auch selber machen, wenn man in einem Sample-Editor einzyklische Wellenformen aneinanderreiht. Im ASR-10 selbst wäre sowas auch möglich. Das Instrument bietet diverse Werkzeuge an, mit denen man kleinste Sample-Schnipsel aneinander kleben kann.  Hier einige Transwaves von WAVeBoy Industries:

Filter

Die Filter können zu einem Bandpass verkoppelt werden oder einfach nur zu einem 4-Pol Filter zusammenwachsen. Dabei ist das erste Filter immer ein Tiefpass mit Flankensteilheiten von 12 oder 18 db und das zweite Filter ein Tiefpass oder Hochpassfilter mit 6 oder  12 db Steilheit. Digital heisst in dem Fall “sauber”, also ohne jede Verfärbung. Allerdings auch ohne jede Resonanz. Das klingt besser als man sich das jetzt so vorstellt. Besonders Bandpass macht schöne Klänge, wenn sich die Eckfrequenzen über das Spektrum des Samples bewegen.

Fake Resonanz

Da der ASR-10 die Modulation der Loop-Position beherrscht, lassen sich aus aufgenommenen Filter-Zap-Sounds wieder dynamische Filterbewegungen herausholen. Die klingen allerdings deutlich elektrischer als analoge Filtermodulationen. Das liegt daran, dass beim Durchfahren der Wellenform scharfe Kanten an den Loop-Übergängen entstehen. Hier ein Beispiel:

Hüllkurven

Einen grossen Anteil am guten Klang haben die Hüllkurven. In einem alten Prospekt lese ich, dass man Hardware-Hüllkurven verwendet hat, um keine Kompromisse einzugehen. Das glaube ich sofort, denn die 3 ENVs für Filter, Lautstärke und Modulation pro Layer sind sehr schnell und sehr beweglich. Man kann z.B. zwischen 2 Verläufen per Anschlagdynamik überblenden. Bis zu 6 Segmente lassen sich einstellen. Die Zeiten können per Keyboard moduliert oder Segmente 2 bis 5 im Loop laufen gelassen werden. Verschiedene Preset-Hüllkurven für Streicher, Piano, Drums us.w.  beschleunigen den Arbeitsfluss. Gewöhnungsbedürftig ist die Time-Level-Herangehensweise mit z.B. zwei Releasephasen. Die kürzeste Zeitphase dauert 0,00 und die längste 49 Sekunden.

LFO und NOISE

Einen LFO gibt es auch noch. Mit 7 Wellenformen wie Sinus, Dreieck, Rechteck und diversen Zwischenformen ist er recht flexibel, kann aber kein Sample & Hold. Dafür gibt es die Modulationsquelle NOISE, die genau solche Zufallswerte variable in Tempo und Tiefe ausgibt. Den LFO kann man mit einer Modulationsquelle einfaden. Beide Bausteine erreichen Modulations-Geschwindigkeiten unterhalb des Audio-Spektrums.

Modulationen

Eine Modulationsmatrix gibt es im ASR-10 nicht im eigentlichen Sinne. Man hat aber für Pitch, Filter, Amp und Panning fest vorgegebene Modulationsplätze für Hüllkurve 1 und 2, Keyboard, oder zumindest eine wählbare Quelle. Pitch zum Beispiel hat gleich 4 feste Modulationen (ENV 1, LFO, NOISE, Pitchbender) eingetragen plus eine frei wählbare. Das ist auch gut so, denn die Modulationshübe lassen sich so noch drastischer gestalten. Lautstärke und Panning haben zum Beispiel nur einen frei wählbaren Modulationsplatz. Das reicht aber für Bewegung im Klang völlig aus.

ENSONIQ - ASR-10 - der Synthesizer im Sampler - Bank komplett geladen
COMPLETED für heute

Soweit zum Synthesizer im ASR-10. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ein guter Sampler ein besserer Synthesizer ist als ein normal subtraktiv arbeitender “richtiger” Synth. Mit dem richtigen Ausgangsmaterial ist das wahrscheinlich auch so, denn die Menge an möglichen Klängen und die Komplexität der Klangereignisse ist deutlich größer als bei “normalen analogen Synths.  Besonders bewahrheitet sich das wenn den Samples eine ausbaldowerte Synthese-Engine zur Seite steht. Und die hat der ASR-10.

Library

Ich habe auch gelesen, dass die Qualität eines Samplers mit seiner Werks-Library steht und fällt. Die Werks-Library des ASR-10 ist ganz O.K. Einige dieser Klänge schaffen es heute noch in die eine oder andere Chart-Produktion. Man hat sich viel Mühe gegeben, alles Hi-End-mäßig einzufangen und die Klänge wurden teils sehr gut aufbereitet. Sie reagieren auf Modwheel- und Anschlags-Stärke oder auf Druck auf die Patch-Select-Schalter. Es gibt sogar kurze Demos der mitgelieferten Klänge, die mit handwerklichem und künstlerischem Geschick erstellt wurden. Akustisches, ein bisschen Moog hier, ein paar hauchige Chöre dort, einfache Drum Kits…

Ich bin jedoch der Meinung, dass man mit einem völlig leeren Sample-Pool starten und viel Spass haben könnte. Ein paar wenige Alltagsgeräusche reichen aus, um mit dem ASR-10 auf spannende Ideen zu kommen.

Wenn schon fertige Klänge, dann würde ich neben der mitgelieferten Library unbedingt die WAVeBOY – Transwaves empfehlen. Link – siehe unten.

Ansonsten würde ich raten, alles zu sampeln, was nicht bei 3 auf dem Baum ist. Synths, Maschinen, Stimmen, Geräusche. Sampling ist ein Riesenspass und bringt Individualität in die Musik, besonders mit den hier gebotenen Synthesemöglichkeiten. Der ASR-10 vermasselt es nicht. Bei vollem Speicherausbau kann er aufwändigere Pads liefern, die analogen Synths verteufelt ähneln. Die Transienten klingen messerscharf, Bässe bebend tief, Höhen glasklar. Was will man mehr?

Ende?

Damit ist das Kapitel ASR-10 noch lange nicht geschlossen. Wir befinden uns noch immer im freien Fall durch unendlich tiefe Klangwelten. Bevor meine Zeitschaltuhr mir den Stecker zieht, mache ich Schluss für heute und fahre demnächst fort mit dem spannenden Thema Effekte. Da tut sich nämlich gleich das nächste schwarze Loch auf. Nicht nur ENSONIQ selbst haben dem ASR-10 ordentlich DSP-Code gefüttert, es gab auch noch WAVeBOY als Drittanbieter, der der Klangsynthese noch ordentlich eins drauf setzt. Und dann gab es da noch die DSP-Offline Prozesse. Also bis dann.

Links

WAVeBOY Industries Effects for ENSONIQ ASR-10 und EPS 16+

 

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